Alpstein Entschleunigt
Der 27 Kilometer langen Rundwanderweg im Alpstein mit der Besteigung des höchsten Gipfel Säntis 2.502 Hm. führt durch grüne, blumenbedeckte Almen, an samtbraune Schweizer Kühen vorbei, hoch zu schroffen Berggipfeln und blaue Gebirgsseen.
Gletscherfelder, Höhenwege und auch eine ausgesetzte (aber gut gesicherte) Gratwanderung bieten Alles was eine Bergtour ausmacht. Bei der gemütlichen 3-Tages-Tour übernachtet man in urigen Berggasthäusern und hat genug Zeit sich alle Highlights am Wegesrand anzuschauen … und trotzdem mit dem Zug an- und abzureisen.
♡-Faktor: ♡♡♡♡♡
Ausgangspunkt: Bahnhof Wasserauen 868 Hm
Dauer: 12:30 Stunde
Strecke: 27 km
Höhenunterschied: 1850 Hm. hoch und runter
Einkehrmöglichkeit: Diverse Hütten im Alpstein bieten urige Eingehrmöglichkeiten
Schwierigkeit: rot
TAG FÜR TAG Beschreibung und GPS Daten:
Tag 1: Bahnhof Wasserauen 868 Hm. – Berggasthaus Schäfler 1.920 Hm., 6,5 km, 1010 Hm. Hoch, 360 runter
Ich habe dir die GPS Daten auf Outdooractive gespeichert Tag 1
Tag 2: Berggasthaus Schäfler – Seealpsee 1.141 Hm - über Öhrligrueb, Säntis 2.502m, Lisengrat, Rotsteinpass 2.119m, Meglisalp 1.520 Hm., 15 km, 800 Hm. hoch 1570 runter
TIch habe dir die GPS Daten auf Outdooractive gespeichert Tag 2
Tag 3: Seealpsee – Bahnhof Wasserauen 868 Hm., 5 km, 90 Hm. hoch 370 runter
Ich habe dir die GPS Daten auf Outdooractive gespeichert Tag 3 Schweizer Bilderbuchkulisse
Die Landschaft des Alpsteins entspricht all dem was ich mit der Schweiz verbinde: Grüne, blumenbedeckte Almen, samtbraune Schweizer Kühe, schroffe Berggipfel und blaue Gebirgsseen.
Zu diesen idyllischen Klischee kamen, bei unserer Tour, noch ausgesetzte Gratwanderungen, urigen holzverkleidete Berggasthäuser, perfekten Sonnen Auf und -untergänge, die überwältigende Kulisse des Seealpsee und noch die eine oder andere Überraschung … Zwischendrin kamen wir uns vor, wie in einem Heimat Film in dem ein Highlight das Andere jagt.
Manchmal muss gut Ding eben Weile haben. Diese Tour wollten wir schon seit einigen Jahren machen aber irgendwie kam immer was dazwischen – aber dann rief mich meine Freundin an: „Sag mal hast du nächstes Wochenende was vor?“ Und: Oh Wunder! Mein Kalender war leer. Und die Wettervorhersage bombastisch. Der Ausgangspunkt Wasserauen ist perfekt mit dem Zug zu erreichen und so trafen wir uns mittags am Bahnhof.
Tag 1: Bahnhof Wasserauen 868 Hm. – Berggasthaus Schäfler 1.920 Hm
Da wir finden, dass unser Leben schon so stressig genug ist, war unser Motto für die nächsten drei Tage weniger möglichst schnell viele Kilometer runter zu reißen, sondern eine gemütliche Tour auf der wir genug Zeit hatten uns alle Highlights am Wegesrand in Ruhe anzuschauen. Damals konnten wir ja nicht ahnen, dass es tatsächlich so viele Highlights geben werden würde. Also nicht schnell mit der Seilbahn hoch auf die Ebenalp – schnell zum Säntis hetzten und schnell auf direkten Weg wieder runter, sondern Alles gemächlich zu Fuss.
Berg Gasthaus Aescher-Wildkirchli
Unser erster geplanter Stopp war das Berg Gasthaus Aescher-Wildkirchli, dass wie ein Vogelnest in eine Höhle spektakulär aussehend an einer steile Wand gebaut wurde.
Früher meditierten hier Eremiten und ganz früher – also vor schlappen 92.000 Jahren hausten hier Höhlenbären. Richtig weltbekannt wurden die Höhlen, von denen in und um eine das Gasthaus gebaut ist, durch prähistorische Funde von Höhlenmenschen wie bearbeitete Steine, Werkzeuge und Knochen - Das heisst auch de Neandertaler haben in die Zeit von 50.000 bis 30.000 v. Chr. schon im Alpsteingebirge gelebt. Somit sind wir ja in bester Gesellschaft und machen uns – ganz zivilisiert gestärkt durch Kaffee und Kuchen gestärkt – auf Erkundungstour.
Von hier führt der Wanderweg in das Innere des Berges. Fast 150m windet sich der Tunnel durch die drei Höhlenteile, die inzwischen beleuchtet sind. Wie zwei kleine Phoenixe erreichen wir die andere Seite des Berges und die Ebenalb. Dort erheben sich nicht wir, sondern Drachenflieger in die Lüfte und segeln dem Rheintal entgegen. Da wir die bis dahin knapp 800 gewonnen Höhenmeter auf keinen Fall wieder verlieren wollen und noch 300 zum Aufsteigen haben, laufen wir am grasigen Bergkamm entlang zu unserer ersten Übernachtung dem Berggasthaus Schäfler.
Wolken türmen sich von Süden auf und brechen wir Brandung and die Wände des Alpsteins. Nur ab und zu reisst es auf und wir erhaschen einen Blick auf den Altenalptürm (2.031 Hm.), Öhrlikopf (2.193 Hm.), Hochnideri (2.246 Hm.) und den Girenspitz (2.448 Hm.). Über allen Gipfeln thront der Säntis (2.502Hm.) gut an seiner hohen Antenne zu erkennen – dem Gipfelziel unsern zweiten Tages. Bei hohen Bergen hilft nur eines – feste Essen und so machen wir es uns erst Mal bei Suppe und Käsespätzeln in der Hütte gemütlich. Aber so ähnlich, wie bei Rauchern und Essen im Restaurant, ist es bei Fotografen und der Sonne: Kaum steht das Essen vor mir auf dem Tisch bricht diese aus den Wolken und ich lasse Alles liegen und stehen um den Anblick nicht zu verpassen. Wer braucht schon warmes Essen, wenn er einen coolen Sonnenuntergang sehen kann?
„Anseilstrikli im Restaurant erhältlich“
Die Wolken verziehen sich und hinterlassen nur noch einen weichen Dunstschleier auf der Mitte des Berghangs. Vor uns liegen unten die sanften grünen Hügel des Appenzellerlandes und weiter oben die schroffen Kalkgipfel der Berge. Fast unpassierbar sieht unser geplanter Wanderweg für den nächsten Morgen aus, der sich – gut sichtbar – den Steilhang entlangschlängelt. „Ab hier nur noch für geübte Berggänger“ steht deutlich auf einem roten Schild zu lesen und gleich darunter: „Anseilstrikli im Restaurant erhältlich“. Heike und ich schlucken erst Mal –Anseilstrikli hört sich ja irgendwie süss an, aber wir hoffen doch mal sehr, dass wir keine brauchen werden, als wir uns am nächsten Morgen auf den Weg machen.
Tag 2: Berggasthaus Schäfler – Seealpsee
Unser Sorgen sind unbegründet. Der Weg ist zwar ausgesetzt aber an schwierigen Stellen versichert.
Über uns strahlt ein wolkenloser Himmel und unter uns grüne Wiesen und das tiefe Blau des weit unten liegenden Seealpsee, das Ziel unserer heutigen Wanderung. Aber dazwischen liegen noch ein paar Stunden Wandern und einige Höhenmeter. Wobei … die Wege und Aussichten sind so berauschend, dass „lustwandeln“ das Ganze besser beschreiben würde. Wilde Blumen wachsen am Wegesrand, ab und zu sehen wir in der Ferne Gämsen und hören Murmeltiere pfeifen, die ihre Kumpels vor unserer Anwesenheit warnen.
Die Öhrligrueb kommt uns vor wie ein kleiner Mikrokosmos im immer schroffer werdenden Bergall: Hier durch halbhohe Felsen geschützt, ist es deutlich wärmer und grüner. Wobei der Unterschied zwischen der Nord- und Südseite immens ist, wie ich leidvoll merken muss, als mich Heike von einem versteckten Schneefeld plötzlich mit Schneebällen attackiert, während ich gemütlich zwischen blühenden Enzian die Sicht auf den Blau Schnee – dem Gletscherrest unter dem Säntis – geniesse. Schon kurz danach beginnt das einzige steile Stück für diesen Tag: erst schottrig und dann über die Schneefelder des Gletschers. Ein paar Steinböcke lassen bei uns erst gar keine Müdigkeit aufkommen, denn sie wandern auf der anderen Seite des Blau Schnees in die gleiche Richtung … und da müssen wir natürlich dran bleiben. Noch ist uns nicht klar wie wir auf den Gipfel kommen sollen, denn dieser sieht uneinnehmbar aus … bis wir die kleinen Punkte … Menschen … unterhalb der Seilbahn sehen:
Die berühmte Himmelsleiter!
Eine durch Steighilfen versicherte Passage führt über den letzten Anstieg. Da kurz vorher die der Wanderweg von der Schwägalp auf die gleiche Strecke führt, staut es sich hier schon Mal an sonnigen Wochenenden. 2011 wurde einige kleine Plattformen eingebaut damit die Gipfelstürmer leichter kreuzen können. Wir haben Glück: Unter der Woche ist weniger los. Ein alter Schweizer steht mitten auf der ungesicherten Felsplatte und grinst und freundlich an „Grüezi mitenand! Gleich habt ihr's geschafft!“ sagt's und steigt dabei gämsengleich ab. Der Gipfel an sich ist quasi ein Antiklimax. Nach der Einsamkeit der Wanderung stören uns die Menschenmassen, die mit der Gondel hochkommen und auch die Gebäude bekommen nicht gerade einen Schönheitspreis. Der Lisengrat verbindet den Säntis mit dem Roststeinpass und war lange Zeit eine Referenztour für den Schwierigkeitsgrad T4, doch seit er noch besser präpariert und mit deutlich mehr Drahtseilen ausgestattet wurde, ist er jetzt rot-weiß markiert. Auf halber Strecke treffen wir ein Paar. Die Frau flucht auf spanisch bei einer besonders ausgesetzten Stelle. Heike spricht spanisch und plaudert mir ihr. Die Dame kommt aus Peru „Er ist verrückt mich hierher zu bringen“ sagt sie über ihrem Schweizer Mann
„Wenn ich hier lebend runterkomme, lasse mich scheiden!“
Dass sie es nicht ganz ernst meint, sehen wir daran, dass beide lachen. Für uns ist dieser Teilabschnitt so etwas wie ein Abenteuerspielplatz für Erwachsene: Steil, ausgesetzt, spannend aber durch Drahtseile und Steighilfen niemals so, dass man sich fürchten muss. Ab dem Rosteinpass beginnt der über 1.000 Höhenmeter lange Abstieg über die malerischen Meglisalp zum Seealpsee. Im gleichnamigen Berggasthaus gönnen wir uns erst mal ein Appenzeller Bier. Das Dunkel Lager ziert ein Label, dass gerade unserer Aussicht entspricht: die grandiose Kulisse über den See, über die Berge bis hoch zum Säntis. Da entspannen sich selbst unsere müde Knochen vor Glück.
Tag 3: Seealpsee – Bahnhof Wasserauen 868 Hm
Natürlich hätten wir am gleichen Tag noch die 1,5 Stunden nach Wasserauen absteigen können … aber was hätten wir dann verpasst?
Zum einen unseren letzten Zug … und zum anderen den Zauber den normalerweise vielbesuchten Seealpsee in den frühen Morgenstunden für uns (fast) alleine zu haben. Schon bei Sonnenaufgang hält mich nichts mehr in der Hütte: die Berge glühen, die Stimmung ist magisch, während ich hyperventilierend mit meiner Kamera um den See hopse und mich gar nicht satt sehen kann an all den schönen Motiven, hat Heike schon das Ruderboot unserer Unterkunft klargemacht.
Wo normalerweise hippe Influencer für ihr Posts posen, schippern wir gemächlich über den See.
„Schau mal das sind aber viele Kühe“ sagt sie in diesem Moment, „Öh … sehr viele, Öh … ich glaube das ist der Almabtrieb“! Tatsächlich trabt eine ganze Horde munterer Kühe begleitet von feschen Burschen in der typischen Appenzeller Pracht aus schwarzen Hosen und roten Westen schön mit blumenverzierten Hut am See entlang. Aber unserem Alpenidyll ist hier noch nicht die Krone aufgesetzt worden: Kaum setzten wir die Füsse wieder an Land hören wir den tiefen Klang eines Alphorns, dessen Ursprung wir nicht lange suchen müssen. Der Bläser steht direkt am Ufer des flaschengrünen in der Sonne glitzernden Sees, der Klang wird von den hohen Bergwänden zurückgeworfen ein paar Enten paddeln im Wasser und die Kühe muhen als Background-Chor.
Hört sich unglaublich kitschig an? War es aber nicht, sondern - wie Heike schreibt - das Highlight des Jahres!
ANREISE
Kein Auto, Keine Staus, Keine Gondel – Die 3-Tages-Rundtour mit der Besteigung des Säntis (2.502) kann man gut mit einer Zuganreise kombinieren, da am ersten und letzten Tag genügend Zeit bleibt.
Mach' es wie die Gämsen, Steinböcke und Murmeltiere, die Du mit etwas Glück bei der traumhaften Wanderung im Alpstein treffen wirst: geh' zu Fuss.
Mit dem Zug zum Bahnhof Wasserauen in der Schweiz.
Die Fahrpläne in der Schweiz lassen sich unter www.sbb.ch, www.bahn.de, oder unter dem Punkt "Anreise" bei www.myswitzerland.com abfragen, eine entsprechende App der SBB ist ebenfalls erhältlich.
BESTE ZEIT Juni bis September
AUSGANGSPUNKT Bahnhof Wasserauen 868 Hm
LITERATUR Fabian Lippuner,"Appenzellerland - Die schönsten Tal- und Höhenwanderungen", Bergverlag Rother, 2020.
SCHALFEN
Das Berggasthaus Schäfler: Bietet Doppelzimmer und 70 Betten im Lager. Vom direkt hinter der Hütte gelegenen Schäfler Gipfel 1.925 Hm hat man eine aussergewöhnliche Rundsicht von Pilatus bis Zugspitze und weit über den Bodensee. Der perfekte Platz für Sonnen Auf- und -untergang.
Traumkulisse am Seealpsee bietet das Berggasthaus Seealpsee. Es verfügt über 40 Betten in komfortablen Zimmern mit Dusche. Der Seealpsee ist nicht umsonst beliebt und damit stark besucht. Wer hier übernachtet hat die Kulisse früh morgens ganz für sich alleine und kann das Frühstück auf der Terrasse über dem See genießen. www.seealpsee.ch