So, ihr dürft euch jetzt küssen!“ Anis, der Betreiber von Crystalkayaks-Tours, grinst verschmitzt, während sich die Paare in den für solche Aktionen nicht unbedingt ausgelegten, durchsichtigen Booten wackelig zueinander beugen. Anis hat den Zeitpunkt perfekt hinausgezögert, denn viele Besucher buchen seine Tour auf La Digue nur, um ein Selfie vor den berühmten Felsen der noch berühmteren Anse Source d'Argent zu machen. Aber er will den Touristen mehr mitgeben als nur einen Post auf Instagram.
Deshalb hat er die Bootsinsassen in den 2er Booten geschickt erst einmal vom Strand weggelockt. Mit den durchsichtigen Kajaks kann man auch alles sehen, was sich gerade unter dem Boot befindet, quasi ein privates und selbstgesteuertes Glasbodenboot. „Schaut mal dort, die orangenen Korallen! Und wenn ihr etwas weiter paddelt - hier im Sand verstecken sich immer Stachelrochen!“. Tatsächlich können die Teilnehmer die Umrisse der Tiere im Sand ausmachen. Aber dann endlich kommt der Moment, auf den die meisten sehsüchtig gewartet haben: die Kajaks gleiten an der Küste entlang um einen der riesigen Granitfelsen und es eröffnet sich der Blick auf die malerische Bucht, die wohl aus jedem Reiseprospekt bekannt ist.
Voll cool: Das perfekte Selfie im Glasboden-Kayak
Das ist übrigens nicht Olga - sondern ich :;)
Olga, eine russische Besucherin. bringt sich verzückt in ihrem Kajak vor den Felsen in Position. Seitdem sie einen Post einer Influencerin bei Instagram gesehen hat, wollte sie unbedingt genau das gleiche Foto haben. In viele der Felsformationen kann man Bilder hinein interpretieren. So beispielsweise bei den zwei Steinen, die sich weit über der Bucht zueinander lehnen und sich nur an einer Stelle zart berühren. Genau das hat wohl zu der Legende geführt, dass sich Paare hier küssen sollen, damit ihre Liebe genauso ewig hält, wie die der beiden Felsen. „Und an was erinnert euch dieser Fels etwas weiter rechts?“ möchte Anis von seiner Paddel-Gruppe wissen. Einstimmig ertönt im Chor: „An die Coco de Mer“.
Voll schwer: Eine ausgereifte Coco de Mer kann bis zu 45 kg wiegen
Coco de Mer (deutsch: Seychellennuss) sind die größten Samen der Welt, die nur auf den Seychellen vorkommen. Als die Inseln noch unbewohnt waren, wurden die Nüsse über das Meer nach Osten gespült. Dort wurden sie an den Stränden gefunden und hatten damit ihren Namen weg: Kokosnuss des Meeres.
Auf der Nachbarinsel Praslin hat die UNESCO bereits 1983 zum Schutz dieser Pflanze das Vallée de Maiin die Liste des Weltnaturerbesaufgenommen. Hier können Besucher bei geführten Touren durch den Bilderbuchdschungel wandern und die hohen Fächerpalmen bestaunen. Etwas weniger bekannt - und damit auch weniger besucht - ist das 2012 eröffnete Naturreservat Fond Ferdinand an der Baie St Anne einige Kilometer weiter südlich. Auch hier kann man mit einem Ranger auf einer dreistündigen Tour durch den Palmenwald streifen. Nadine ist eine der Führerinnen, die den Besuchern etwas von der Nuss erzählen: „Eine voll ausgereifte Coco de Mer kann bis zu 45 kg wiegen. Also passt auf, dass euch keine auf dem Kopf fällt!“ Gemächlich steigt die Gruppe weiter den Berg hinauf - bei den tropischen Temperaturen auch in diesem Tempo eine schweißtreibende Angelegenheit, die aber am Aussichtspunkt mit einer sagenhaften Aussicht über Praslin und den weiteren Inseln der Inneren Seychellen belohnt wird. Nadine nutzt die Verschnaufpause, um den Besuchern mehr über die stark gefährdete Pflanze zu erzählen. Eine Seychellenpalme trägt nur eine Nuss pro Jahr, die bis zu sieben Jahre zu Reifung braucht. Kein Wunder also, dass diese Früchte inzwischen streng geschützt werden. „Wer eine unlizenzierte Seychellennuss versucht außer Landes zu bringen, muss mit einer Haftstrafe von bis zu sieben Jahren rechnen. Wenn ihr also länger auf den Seychellen bleiben wollt, wäre das eure Gelegenheit.“ grinst Nadine verschmitzt.
Voll gross: Riesenschildkröten auf Curieuse
Wie man eine 45kg schwere Nuss dezent außer Landes schmuggeln soll, erscheint rätselhaft, aber scheinbar gibt es auf den Seychellen genug Besucher mit kriminellem Poteztial, für die Größe kein Hindernis darstellt.
Auf der nur einen Kilometer von Praslin entfernten Insel Curieuse leben die berühmten Aldabra-Riesenschildkröten. Obwohl diese durch den Nationalpark geschützt sein sollten, wurden 2016 25 Jungtiere gestohlen und dann angeblich von einer deutschen Adresse aus online vertrieben. Seitdem sind die süßen Kleinen in einem abgetrennten Gehege untergebracht, vor dem ein Schild die Besucher warnt, dass bei Abreise die Taschen untersucht werden können. Direkt beim Bootsanleger lümmeln die erwachsenen Tiere im Schatten. Bei der Größe eines Zwergponys sollten diese vor einem Kidnapping-Versuch sicher sein!
Nicht sicher sind diese gemächlichen Riesen allerdings vor Touristen, die deren stoische Gelassenheit scheinbar mit fehlenden Empfindungen verwechseln - und so klopfen manche auf den Panzer, wedeln mit Blättern den Schildkröten vor der Nase, oder hängen sich halb über die armen Viecher, um für das perfekte Foto zu posieren.
Nicht voll: Anse Badmier
Simone, eine mit einem Seychellois verheiratete Schweizerin, die Touren anbietet, gibt einen guten Rat: „Wer nicht gleichzeitig mit einer Masse von anderen Touristen ankommen will, dem würde ich ein Wassertaxi empfehlen, das erst gegen 11 Uhr losfährt.“ Normalerweise setzen die Ausflugsboote nach der 10-minütigen Überfahrt die Besucher morgens an der Turtle Bay ab und holen sie drei bis vier Stunden später an der Anse St Jose wieder. Diese Zeit sollte man sich auch unbedingt nehmen, denn einer der schönsten und wildesten Strände liegt auf der anderen Seite der Insel, den man durch eine halbstündige Wanderung erreicht. Am Anse Badmier liegen riesige, rote Granitblöcke im tosenden Meer. Ein palmengesäumter, schneeweißer Strand macht die Szenerie perfekt. Die Strömung und damit auch die Wellen sind beim Baden mit Vorsicht zu genießen, aber für eine kurzes Untertauchen zur Abkühlung reicht es. Auf der Wanderung lassen sich große, rote Krabben und winzige Einsiedlerkrebse beobachten. Über die dichten Mangroven führt ein Holzsteg und wer Glück hat, sieht auch hier Riesenschildkröten. „Richtig schwimmen gehen sie nicht, aber wenn es ihnen zu heiß wird, kommen sie schon mal zur Abkühlung an den Strand“ weiß Simone, als sie das Wassertaxi zum nächsten Ziel steuert.
Auf dem Programm steht die Mini-Insel St Piere, die eigentlich – gefühlt - nur aus einer Palme und vielen Felsen besteht. Ein perfektes Schnorchel-Revier. Kaum hat man den Kopf unter Wasser gesteckt, befindet man sich in einer anderen Welt. Bunte Fische umschwärmen neugierig die Besucher und begleiten sie auf der Erkundungstour. Filigrane Feuerfische schweben vorbei, während Papageienfische völlig ungerührt weiter an den ausgeblichenen Korallen knabbern.
Voll in Gefahr: Die Erderwärmung ist hier deutlich zu spüren
„2016 hat der El Niño 95% unserer Korallen zerstört“ erzählt auf La Digue Anis seiner Gruppe, die inzwischen aus den Booten ausgestiegen ist und am Strand von Aux Cedres entlangwandert. „Schaut mal, hier werden die ganzen toten Korallen angespült, die in dem wärmeren, sauerstoffarmen Wasser nicht überleben können“. Das Paradies ist durchaus in Gefahr. Eine Abbruchkante am Ufer zeigt deutlich, wie weit der Meeresspiegel inzwischen gestiegen ist „Bei Flut kommt das Meer immer weiter hoch. Damit verlieren die Bäume den Halt und fallen um.“ Dem studierten Ozeanographen ist es wichtig, seinen Besuchern auch den Umweltaspekt näher zu bringen: „Ich hatte schon Touristen, die hier das erste Mal verstanden haben, was die Erderwärmung eigentlich bedeutet.“ Zu Fuß geht die nachdenkliche Gruppe zur Anse Pierrot, hier wurde 1988 Robinson Crusoe gefilmt. Passend zum Thema wartet die nächste Aufgabe: eine Kokosnuss ohne Hilfsmittel knacken. Alex, ein kräftiger Rugby Spieler aus Kanada, schlägt die Nuss mit voller Wucht aber mäßigem Erfolg gegen einen Stein. „Der Trick ist, dass ihr die Spitze treffen müsst. Danach lassen sich die aufgesprungenen Kokosfasern abschälen, oder ihr findet einen spitzen Stock und haut sie darauf.“ Anis zeigt Alex, nachdem er die deutlich kleinere braune Nuss erfolgreich freigelegt hat, wie man sie nur ganz leicht auf den Stein klopft, bis die ersten Risse entstehen. Durch diese kann man sich das leckere Kokoswasser in den Mund laufen lassen. Fraglich bleibt, ob Alex beim Nüsse knacken mehr Kalorien verbraucht, als er durch Kokoswasser und Fruchtfleisch wieder aufnimmt …
Glücklicherweise gibt es auf La Digue genügend kleine und günstige Take - Aways, auf denen man sich stärken kann, bevor man mit dem Fahrrad weiter das Paradies erkundet.
Und nach all den Abenteuern hat man sich ein bisschen Erholung ja auch redlich verdient. Das Schöne ist: Auf den Seychellen ist ein Traumstand nie weit entfernt!
Allgemeine Info:
www.seychelles.travel/de/ist die offizielle Website der Seychellen.
Deutsche Staatsangehörige benötigen für die Einreise kein Visum, nur einen gültigen Reisepass.
Hinkommen:
Condor fliegt vier Mal wöchentlich nonstop von Frankfurt nach Mahé, der Hauptinsel der Seychellen. Ab 450€
Rumkommen:
Zwischen den Hauptinseln bieten zwei Anbieter mehrmals täglich Fähr-Verbindungen an. Von Mahé nach Praslin (ca. 50€) dauert die Überfahrt eine Stunde und von Praslin nach La Digue (ca. 15€) 15 Minuten. http://www.catcocos.com und www.iif-catrose.com (nur La Digue – Praslin).
Auf Mahé und Praslin gibt es ein gut ausgebautes Busnetzwerk. Jede Fahrt kostet umgerechnet 50 Cent. Die Busfahrpläne kann man sich hier herunterladen: http://www.sptc.sc/schedule/
Auf La Digue sind – bis auf wenige Ausnahmen – nur Fahrräder erlaubt, diese gibt es für ca. 8€ pro Tag bei jeder Unterkunft oder auch auf der Straße rund um den Bootsanleger zu mieten.
Um die Insel Curieuse zu besuchen, bucht man – um den Massen zu entkommen – am besten ein Wassertaxi. Beispielsweise unter www.bellavitacharter.eu, oder direkt per Whatsapp +248 2883463. Die Schweizerin Simone Lesperance spricht deutsch. Transfer nach Curieuse und Schnorcheln bei St Pierre incl. Equipment für zwei Personen 50€ + Nationalpark-Gebühren.
Am Strand von Côte d'Or findet man weitere Anbieter.
Die dreistündige Crystalkayaks-Tour im transparenten Kayak auf La Digue kann man entweder online für 40€ auf https://tourbookers.com buchen oder direkt (etwas günstiger) bei Anis Jakob per Whatsapp +2482747457. Zzgl. Eintritt von umgerechnet 8€ für den L'Union Estate Park, in dem sich der Traumstrand Anse Source d'Argent befindet.
Schlafen:
Praslin: Die direkt am Strand gelegenen Selbstversorger Apartments bieten den besten Platz für romantische Sonnenuntergänge. In der Nähe gibt es eine Bushaltestelle, Geschäfte und auch ein Restaurant. Islander Apartments, Anse Kerlan. Apartment für 2 Personen ab 88€ pro Nacht
La Digue: Die Bungalows von Chez Michelin liegen in einem tropischen Garten nur durch eine kaum befahrene Straße vom Meer getrennt. Wahlweise mit Küche oder nur als Zimmer buchbar - ab 80€. Der sehr schöne Strand Anse Severe und der Bootsanleger sind jeweils in ca. 10 Minuten zu Fuß zu erreichen.
Essen:
Essengehen ist nicht günstig auf den Seychellen. Wer auf das Budget achten muss, versorgt sich am besten selber oder mit einem der zahlreichen Take-Away Möglichkeiten. Angeboten wird alles von Pizza bis hin zum kreolischen Meeresfrüchte-Curry.
La Digue: Das Rey & Josh Café Takeaway befindet sich auf dem Weg zur Grand Anse. Hier kann man auf Bierbänken das köstliche kreolische Essen auch gleich verspeisen. Pro Gericht ca. 5€
Praslin: Das Capricorn Restaurant gehört zum Islanders Guesthouse. Hier kann man authentische, landestypische Küche zu günstigen Preisen genießen.
Anse Kerlan, +2484233224