Nach meinem Erlebnis am Preikastolen/Norwegn bin ich nicht besonders erpicht darauf, wieder an einer Massenwanderung teilzunehmen und so lese ich begeistert vom neu eröffneten Klettersteig.
Am 15. Mai wurde er eingeweiht, nachdem der alte im Frühjahr 2017 durch herabstürzendes Eis und Felsen so beschädigt wurde, dass nicht mehr benutzt werden konnte. Da ich keinerlei Equipment dabei habe, buche ich kurzerhand eine geführte Tour. Richard Mauseth ist der Bergführer, der uns beim „Klettersteig-Triathlon“ begleiten wird.
Morgens um 8 Uhr starten wir mit den Mountainbikes am Ringedalen-See.
Ein Schotterweg bringt uns weg vom Motorenlärm des geschäftigen Parkplatzes. Hinter dem Staudamm beginnt die einsame norwegische Bergwelt, die ich gesucht habe. Eine einzelne Wolke schwebt noch pittoresk zwischen den senkrechten Steilhängen, die direkt zum Wasser reichen – ausser Richard und den drei lustigen Australiern, die die gleiche Tour gebucht haben, ist sonst keine Menschenseele in Sicht. Je weiter wir fahren, desto ruhiger wird es. Hier hört man nur noch das entfernte Rauschen der Wasserfälle und das Knirschen der Reifen auf dem Schotter. Nach 6 Kilometern führt eine Holzbrücke über einen Bach –
hier kommen wir zur zweiten Disziplin: Laufen.
Steil bergauf! Am Wegesrand wachsen dicke Steinpilze, giftige Fliegenpilze und leckere Heidelbeeren, da kann man beim Ernten schon ein bisschen die Zeit aus den Augen verlieren. Sobald wir die Baumgrenze hinter uns lassen, sehen wir die eigentliche Herausforderung:
Disziplin Nummer 3, Klettern!
Ein Teilnehmer der Gruppe schluckt beim Anblick der senkrechten Granitwand, aber Richard, der beim Bau selbst mit Hand angelegt hat, kann ihn beruhigen.
„Wir haben in die 250 Meter hohe Wand 900 Metallbügel eingebaut – eigentlich ist es nicht schwieriger als eine Leiter hochzuklettern.“
In der Theorie hat er damit natürlich recht. Die Via Ferrata ist sehr gut abgesichert und technisch nicht sonderlich anspruchsvoll, aber je höher wir klettern, desto mehr Luft haben wir unter den Sohlen … und damit einen senkrechten Blick hinab auf den immer kleiner werdenden See. Wer nicht an Höhenangst leidet, dem eröffnet sich ein spektakuläres Panorama: Mit jeder Sprosse sehen wir mehr vom Folgefonna Gletscher, der die gegenüberliegenden Berge bedeckt, einzelne Wasserfälle rauschen in die Tiefe.
Hier gibt es nichts, was die Schönheit dieser Kulisse trübt.
Nach 200 Höhenmetern erreichen wir ein breiteres Grasband, auf dem wir ungesichert bis zum nächsten Einstieg laufen können. „Die grösste Herausforderung war, den Berg so zu sichern, dass es möglichst keinen Steinschlag gibt. Dafür haben wir die ganze Wand gesäubert – teilweise von bis zu vier Quadratmeter grossen Felsen.“ Obwohl mir da mein Helm auch nichts mehr bringen würde, ziehe ich ihn für die letzten 50 Meter lieber doch ein bisschen fester. Am Ende des Klettersteigs erreichen wir ein Felsplateau, das bereits zum Hardangervidda-Nationalpark gehört. Auf der anderen Seite der Schlucht sehen wir den „normalen“ Wanderweg, auf dem wir die letzten 2,5km bis zum Objekt unserer Begierde zurücklegen. Nach der Einsamkeit des Klettersteigs hat uns die Welt wieder.
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Der 2018 neu eröffnete Klettersteig ist noch ein Geheimtipp und damit – momentan noch – die menschenleere Alternative zum Normalweg. Wer ein Rad dabei hat oder sich eines mietet, spart sich, wenn man auch wieder über den Klettersteig absteigt, insgesamt 12km Wanderung.
♡-Factor: ♡♡♡♡♡
Schwierigkeit: Klettersteig, mittel, B-C
Gehzeit: 8-10h
Höhenmeter: 1000Hm
Länge: 22km Wandern (wenn der Rückweg über den Normalweg erfolgt) + 250 Höhenmeter Klettersteig
Erreichbar mit öffentlichen Verkehrsmitteln: ja
Hütte am Weg: nein
Beste Zeit: Mitte Juni bis Mitte September
Ausgangspunkt: Wanderparkplatz zur Trolltunga (420 hm): Skjeggedal 20, 5770 Tyssedal. Gebührenpflichtiger Parkplatz. Mit öffentlichem Transport zwischen Odda und Skjeggedal (Startpunkt der Wanderung): Trolltunga Shuttle: (15. Juni – 15. Sept.) Abholservice von den meisten Übernachtungsplätzen in Odda, www.oddataxi.no.
Instandhaltungsgebühr: 350NOK zu zahlen am Trolltunga-Active Store am Parkplatz, da diese den Klettersteig privat finanziert haben.
Info:
Der Weg zur Trolltunga wird auf www.visitnorway.de beschrieben
Ausrüstung: Wanderschuhe, wind- und wetterfeste Jacke und Hose, Wechselkleidung, Kappe, Schal und Handschuhe, genügend Proviant und Getränke für die gesamte Wanderung, Stirnlampe, Wanderkarte, Kompass, Erste-Hilfe-Ausrüstung, ein aufgeladenes Handy. Für den Klettersteig: Klettersteigset und Helm (kann bei Trolltunga-Active geliehen werden).
Bergführer:
Trolltunga-Active bietet geführte Wanderungen zur Trolltunga auch mit Übernachtung in der Nähe der Felszunge. Zwei-Tageswanderung incl. Wanderführer, Übernachtung in einer eigens gebauten Plastikkuppel, Abendessen und Frühstück ab 400 Euro.
Skjeggedal 20, 5770 Tyssedal, Tel: +47 99 11 2121, trolltunga-active.com
Anreise:
Mit dem eigenen Fahrzeug mit der Fähre von Hirtshals/Dänemark nach Kristiansand/Norwegen. 2h15 Fahrtzeit, directferries.de. Per Flugzeug mit einem Umstieg entweder nach Stavanger oder Bergen. Von dort weiter mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem Mietwagen. Vom 1. Juli bis zum 31.8 gibt es einen Expressbus zwischen den Startpunkten für die Wanderungen zum Preikastolen und zur Trolltunga, gofjords.com.
Schlafen:
Das Trolltunga Hotel in Odda bietet Übernachtungsmöglichkeiten im 4er Schlafsaal oder im Doppelzimmer. Von hier fährt auch der Shuttle Bus zum Ausgangspunkt der Wanderung. Doppelzimmer mit Frühstück ab 124€.
Trolltunga Hotel, Vasstun 1, 5750 Odda, Tel: +47 400 04 486, www.trolltungahotel.no/en
Lofthus Camping bietet neben normalen Stellplätzen für Zelte und Camper auch Bungalows für 2-8 Personen. Die Lage direkt über dem Hardanger Fjord ist spektakulär. Zeltplatz ab 15 Euro, 2 Personen Bungalow ab 40 Euro.
Lofthus Camping, Hellelandsvegen 120, 5781 Lofthus, Te: +47 53 66 13 64, www.lofthuscamping.com