Alberto der Schamane in einem kleinen, abgelegenen Dorf im Cuyabeno Nationalpark gehört eindeutig zu den Profiteuren der Ökotourismuswelle. Seit 1979 schwappt sie durch das kleine Gebiet im Amazonasbecken in Ecuador.
Mehrere Touristengruppen besuchen ihn täglich in seinem winzigen, einfachen Holzhäuschen. Als wir vom Fluss zu seiner Hütte eilen, gibt der Regenwald eine eindrucksvolle Demonstration davon, warum er eben REGENwald heisst: Es schüttet! Kein leichter Nieselregen – binnen einer Minute ist jeder bis auf die Haut durchnässt. Wie Schneewittchens Zwerge stehen wir in unseren Plastikponchos in Albertos Hütte, Wasser tropft uns aus den Haaren und quietscht in den Schuhen. Bei einer Durschnittstempertaur von 27 Grad verdampft das Wasser aber fast so schnell, wie es gekommen ist. Auf niedrigen Bänken machen wir es uns bequem und warten auf den Schamanen, der uns einen kleinen Einblick in die jahrtausendealte Tradition der Heiler geben soll. Draussen blitzt es, der Regen hagelt ununterbrochen aufs Dach ... plötzlich muss ich an den Auftritt des Sehers bei Asterix & Obelix denken: Ein Blitz zerreisst den Himmel und plötzlich steht die dunkle Gestalt des Sehers bedrohlich im Türrahmen. In unserem Fall ist es Alberto. Er ist bunt mit Vogelfedern, Ketten und einer Pumazahnkette geschmückt. Eine besonders bunte und grosse Feder steckt ihm waagrecht in der Nase. Gefährlich sieht er eigentlich nicht aus – eher sanftmütig und interessiert. Neugierig beäugen wir uns gegenseitig. Seine Augen scheinen alles zu wissen und vielleicht lässt er sich ja auch von so vielen Touristen täglich anstarren, weil er ahnt, dass sie die grösste Hoffnung für den Cuyabeno Nationalpark sind.
In Südamerika bedeutet der Status Nationalpark nicht unbedingt einen Schutz - oder! eben nur so lange, bis andere Interessen überwiegen. Die Regierung hat den indogenen Stämmen das Land zugesprochen, allerdings nur bis zu einer Erdtiefe von 40 cm. Diese auf den ersten Blick merkwürdige Regelung verhindert, dass die Einheimischen mit den Ölfirmen Geschäfte machen können. Dabei gibt es viel Geld zu verdienen, und daran hat die Regierung natürlich auch Interesse. Momentan befindet sich das Gebiet in einer Patt- Situation: Noch halten die Stämme zusammen und wollen nicht, dass in Ihrem Gebiet Öl gefördert wird. Aber der Druck von aussen wird immer grösser. Unser Führer befürchtet, dass die Wirtschaftskrise das Zünglein an der Waage sein könnte. Denn durch sie kommen immer weniger Touristen - der finanzielle Druck, vor allem durch die Regierung, wächst stetig. Die Ölgesellschaften versuchen schon seit längerem, die verschiedenen Stämme durch ‚Hilfsangebote‘ wie Generatoren, Motoren, Strassenbeleuchtung etc. in eine Abhängigkeit zu treiben. Viele Dörfer sind schon entzweit: Fortschrittsgläubiger auf der einen, Traditionsbewusste auf der anderen Seite. Missionare werden auch heute noch in den tiefen Amazonas geschickt, um die kannibalistischen Stämme zu zivilisieren, denn bis jetzt haben jegliche Verhandlungsversuche mit den “Wilden” im Kochtopf geendet ... Für uns, die mit dem flachen Einbaum durch den Dschungel schippern, sind diese Machenschaften unglaublich, aber auch ganz weit weg. Wir fühlen uns im Paradies: Blaue Schmetterlinge flattern über den Fluss, braune Kapuzineraffen springen waghalsig von Ast zu Ast und zwei Hoatzins (auch Stinkvögel genannt) betrachten uns neugierig vom Ufer aus.
Unsere Lodge wurde nur aus Naturmaterialien gebaut. Strom gibt es keinen, und so verbringen wir unsere Abende romantisch bei Kerzenschein. Naja ... manchmal überredet uns unser Führer auch zu einem Abendspaziergang. Was vor allem dazu führt, dass wir sehr anhänglich werden. Überall lauert die Gefahr: Taranteln, Skorpionsspinnen, Schlangen und Baumfrösche (... na gut, die sind nicht so schlimm ...). Als wir in unserem Einbaum nach Hause gleiten, springt unser Führer mutig ins knietiefe Wasser. Wir sehen nur seine Stirnlampe, die immer weiter zwischen den Bäumen verschwindet: “Kommt, ich habe einen Kaiman gefangen!” Sehr verlockend ... hier schwimmen also Minikrokodile herum und wir sollen mittenrein? Irgendwann siegt die Neugierde vor der Angst und wir stapfen mit unseren Gummistiefeln los, zu dem weit entfernten Lichtschein einer Stirnlampe, deren Besitzer über beide Ohren grinst. In seinen Händen hält er das ca. ein Meter lange Reptil. Nach ein paar Fotos lässt er es auch wieder schwimmen. Relativ hektisch und ganz dicht folgen wir unserem Guide zurück zum Boot.
Wir haben einen viertägigen Ausflug in die grüne Hölle Ecuadors gebucht. Wer Sorge hat, dass man sich dabei langweilen könnte dem sei gesagt: Es gibt immer etwas zu tun! Ausschlafen gehört allerdings nicht dazu - morgens ist die Tierwelt im Dschungel am aktivsten. Selbst durch meine Ohrenstopfen kann ich den ohrenbetäubenden Lärm der roten Brüllaffen hören. Wie ein nur ca. 50 cm grosses Wesen so einen Krawall machen kann, gehört wohl zu den Wundern dieser Erde. Am zweiten Morgen haben die kleinen Brüllhälse ein Einsehen, und so kommt der Auftritt unseres Guides: morgens um sechs hüpft er auf den Holzstegen auf und ab und macht dabei das Geräusch eines krähenden Hahnes. Immer noch kichernd treffen wir uns kurz danach zum Frühstück! - das ist doch mal eine sehr nette Art geweckt zu werden. Auf dem weiteren Programm stehen Vogelbeobachtungen, Besuch in einem indogenen Dorf zum Maniokbrot backen, Piranha fischen, eine Wanderung durch den Urwald, Schwimmen in der Lagune und nicht zu vergessen: der wohlverdiente Mittagsschlaf in der Hängematte. Ja, das Leben im Paradies ist hart ... unser Koch füttert uns drei Mal täglich mit einem Drei-Gänge Menü und frischen Fruchtsäften.
Schwer vorzustellen, dass dieser Frieden in Gefahr ist, aber sobald man den Fluss auf dem Weg nach Lago Agro verlässt, sind die Probleme ganz real. Geisterstädte, mit Investorengeldern ohne nachhaltigen Plan hochgezogen, säumen den Wegrand, Ölpipelines laufen an der Strasse entlang und überall stehen Strassenbaumaschinen, die scheinbar nur auf ihren Einsatz warten. Nach drei Stunden Bootsfahrt und zwei weiteren im Bus sind wir wieder in der Zivilisation angelangt. Der Flughafen in dem hässlichen Nest Lago Agrio ist so neu, dass er gerade an diesem Tag eingeweiht wird. Mit der Sicherheit nimmt man es hier nicht so genau, und so stehen wir neben den Polizisten, als die Privatmaschine des ecuadorianischen Verkehrsministers landet. Für wen wird der Flughafen in der Zukunft vor allem sein? Für die reichen Ölmagnaten, oder für die Touristen auf der Suche nach dem perfekten Bild vom Dschungel?
Unser Schamane Alberto macht das Beste aus der Situation: In seinem Garten werden all die Pflanzen angebaut, die für medizinische Bräuche notwendig sind. Er lässt die Besucher in seine Hütte kommen, zeigt ihnen jahrtausendealte Traditionen und hält diese damit auch lebendig. Jeder Besucher zahlt für diesen Einblick 2$. Wir geben ihm den Spitznamen Alberto (Sch)Armani, denn eigentlich müsste er - bei der Besucheranzahl - genug Geld haben, um unter seiner einfachen Kutte einen Designeranzug zu tragen ... aber wer braucht den schon im Paradies?
Allgemeine Auskünfte:
Die Seite Ecuador.travel gibt einen guten Überblick was das Land Alle zu bieten hat.
Visum:
Ist nicht nötig. Reisepass mit mindestens 6 monatiger Gültigkeit genügt. Anreise:
Von Frankfurt nach Quito mit Delta Airlines, Continental, Lan Chile, Iberia, oder KLM ab ca 1000". Am besten die Preise unabhängig vergleichen. Zum Beispiel bei www.duesentrieb.com/, oder www.travel-overland.de/
Von Quito fliegt die Avianca Airline weiter zu Lago Agrio. Der Flug kostet 130$. http://www.avianca.com/en-ec/
Unterkunft:
Da die Anreise in den Nationalpark zeitaufwendig ist, muss man auf jeden Fall eine Nacht in Quito übernachten. In Quito: Das Café Cultura ist eine superschöne, toll restaurierte Villa! zwischen dem neuen und dem alten Stadtteil. Da es auf 2800m nachts schon mal kühl werden kann, sind die bequemen Ledersessel vor dem prasselnden Kaminfeuer ein traumhafter Aufenthaltsort. Alle Zimmer sind individuell mit Fresken und antiken Möbeln gestaltet. Das Doppelzimmer kostet ab 100$ pro Nacht. www.cafecultura.com/
Mitten in der Neustadt liegt das freundliche Casa Helbing. Von hier sind alle Geschäfte und Restaurants gut zu Fuss zu erreichen. Für 35$ bekommt man ein sauberes, helles
Doppelzimmer. Im Cuyabeno Nationalpark: Hier gibt es mehrere Lodges, die sich alle in der Nähe der grossen Lagune befinden. Vom Preis-/Leistungsverhältniss sind die meisten relativ gleich. Wir waren in der Siona Lodge (www.sionalodge.com). Als Paket kosten hier vier Tage/drei Nächte 225$. Im Preis inbegriffen ist der Bus- und Bootstransport vom Flughafen in Lago Agrio zu der Lodge; alle Mahlzeiten; Kaffee, Tee, Trinkwasser; alle Aktivitäten, ein zweisprachiger Guide (spanisch/englisch), Gummistiefel und Regenponcho. Nicht inklusive ist die einmalige Eintrittsgebühr für den Cuyabeno Nationalpark von 20$ pro Besucher, die 4$ für den Besuch im Dorf und beim Schamanen, alkoholische Getränke und Trinkgelder.
Essen: In Quito: Das ‚Boco del Lobo‘ in der Neustadt wäre selbst ohne Essen sehenswert. Der Besucher sitzt in einem Riesenaquarium, das mit Kitsch und skurrilen Materialmix gefüllt ist. Doch auch das Essen kann sich sehen lassen: Von Pizza zu Meeresfrüchten steht hier alles auf der Karte. Die Salate sind knackfrisch und superlecker! Hauptgerichte kosten zwischen 6-12$ Calma 284, Tel: 254-5500 Im Cuyabeno Nationalpark: Das Essen in den Lodges ist im Paketpreis einbegriffen. Drei Mal täglich gibt es reichlich zu essen: Morgens grosses Frühstück mit Omelette, Früchten und frisch gepressten Saft. Mittags und abends Vorspeise, Hauptspeise und Nachtisch. Fisch, Fleisch, oder vegetarisch: Jeder kommt hier auf seine Kosten. Bei Exkursionen, die länger dauern, gibt es das Mittagessen als Picknick aus einer Lunchbox.