Der Adler-Klettersteig (Via Ferrata delle Aquile an der Paganella) und der alte Sentiro Brentari in den Brenta Dolomiten sind zwei Klettersteige in Norditalien, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Hier erfährst du warum.
Weisst Du, was die drei häufigsten Lügen von Bergführern sind?“ fragt Christina, eine lustige Mittzwanzigerin aus Österreich, ihre Freundin Jeannine. „1. Du machst das super. 2. Wir sind gleich da. Und 3. Ich habe keine Freundin.“
Es dauert etwa zwei Stunden, bis Jeannine tatsächlich den ersten Spruch von Roberto, Bergführer des DAV Summit Clubs, hört. In diesem Fall aber ist es gar keine Lüge: als plötzlich die Wolkendecke aufreisst und zum ersten Mal den Blick bis tief ins Tal freigibt, schluckt sie zwar etwas befangen, hangelt sich danach aber tapfer weiter am Stahlseil entlang. Bis jetzt war der Gruppe gar nicht klar gewesen, wie viel Luft sie tatsächlich unter den Sohlen haben.
Jeannine begeht heute ihren ersten Klettersteig und bei der Ausgesetztheit des „Adler“-steigs und atemberaubenden Ausblicken kann einem durchaus mal die Spucke wegbleiben.
Luca d'Angelo vom Trentino Marketing möchte, dass sich die Klettersteig-Ggeher hier wie Adler hoch oben in den Dolomiten fühlen. Gut nachzuvollziehen, wie die Via Ferrata den Namen bekam: Sie schmiegt sich an die 1000 Meter hohe, senkrechte Felswand.Den gleichen Blick wie die majestätischen Vögel hat man also – allerdings ist es nicht ganz so einsam, wie es ein Adler vermutlich gerne hätte. Der 2016 eröffnete Klettersteig Via Ferrata delle Aquile wurde in der letzten Saison bereits von 8.000 Menschen begangen. An schönen Wochenenden drängeln sich hier schon mal 500 Klettersteig-Begeisterte auf der 3,5 km langen Stahlseilstrecke.
Verständlich - hier wird all das geboten, was einen modernen Klettersteig ausmacht.
Gute Absicherung, atemberaubende Ausblicke und ein sehr bequemer Zustieg.
Von Andalo aus bringt ein Sessellift die Besucher direkt zur Bergstation Rifugio La Roda (2108 m). Wo im Winter Skifahrer abfahren, brettern im Sommer Mountainbiker steil den Berg hinab. Der Paganella Sessellift soll auch ausserhalb der Skisaison genutzt werden, und so hat sich das ganze Gebiet zu einem riesigen Abenteuerspielplatz für Mountainbiker, Wanderer, Kletterer und eben auch Klettersteig-Geher entwickelt.
Roberto rüstet am Einstieg seine Gruppe mit Helm, Gurt und Klettersteigset aus. Am Anfang gleicht der „Adlersteig“ einem schmalen Wanderweg mit Drahtseil. Eingebettet in die Wolken erstreckt sich die Sicht maximal über 100 Meter. Nach einer grossen Höhle werden die Tritte aber schmaler und Jeannines Griff am Seil wirkt deutlich verkrampfter. Just in diesem Moment reissen die Wolken auf und eröffnen einen spektakulären Blick hinunter ins Tal, auf die Trentiner Seen bis hin zum Gardasee und zu den Türmen der Brenta … und auf die senkrechte Wand direkt unter ihren Füssen. Bei den steilen Auf-und Abstiegen nimmt Roberto Jeannine zusätzlich zur Sicherung am Stahlseil noch an ein kurzes Seil, so dass sie auch hier nicht bis zur nächsten Sicherung stürzen kann. „Du machst das super“ redet er ihr gut zu. Christina grinst.
Der Klettersteig bietet unzählige spektakuläre Fotomotive.
Höhepunkt sind die zwei Seilbrücken, die über tiefe Einschnitte führen. Die Tritte haben die Form eines Fussabdrucks und darunter – tiefer Abgrund. Wer fotografiert wird, darf natürlich keine Angst zeigen und so bewältigt Jeannine auch diese Aufgabe anstandslos. Am Ausstieg ist sie erleichtert und überglücklich, ihren ersten Klettersteig gemeistert zu haben. Allerdings gibt sie zu bedenken, dass sie es ohne einen Bergführer nicht geschafft hätte. Auch Roberto meint, dass man als Klettersteig-Anfänger erst mal mit einer leichteren Tour starten sollte.
„DieVia Ferrata delle Aquile wird mit dem Schwierigkeitsgrad mit C/D, also „schwierig“, bewertet.
Vor allem die Ausgesetztheit sollte man nicht unterschätzten – hier muss man komplett schwindelfrei sein.“ Hat man den Klettersteig geschafft, lockt an der Bergstation Rifugio La Roda auf der grossen Aussichtsterasse Wein aus dem hütteneigenen Weinkeller und Essen a la Carte.
Ganz anders als die so perfekt erschlossene Paganella, präsentieren sich die Brenta Dolomiten.
Auf der Pedrotti Hütte gibt es keinen gut gekühlten Wein, sondern einen selbstgebrannten Latschenkieferschnaps, der vom Hüttenwirt Franco Nicolini persönlich ausgeschenkt wird. Der Mann ist eine Legende: In nur 60 Tagen hat er alle 4.000er der Alpen bestiegen, immerhin 82 an der Zahl. Der Ruhm ist ihm nicht zu Kopf gestiegen - abends sitzt er mit seinen Gästen zusammen, plaudert und gibt Tips zu seinem Heimrevier. Einer seiner Lieblingsklettersteige ist der bereits 1932 eröffnete Sentiero Brentari - er ist einer der ältesten Via Ferratas in diesem Gebiet.
Schon die Anfahrt mit dem Ruf-Jeep aus Molveno durch das Ambiez Tal ist ein Abenteuer. Eine schmale Schotterpiste führt durch einen engen Felsklamm hinauf zur Caciatore Hütte. Ab hier gibt es keine Gondel, sondern nur die eigenen Füsse, die einen 800 Höhenmeter weiter oben – an der Agostini Hütte vorbei – zum Einstieg bringen. Das hochalpine Ambiente ist beeindruckend. Steile Felswände bilden eine Arena um das immer enger werdende Tal.
Wie Ameisen fühlt sich der Mensch in dieser Kulisse.
Neben der Agostini Hütte liegt ein riesiger Fels, der eines Nachts den Berg herunter krachte; wie durch ein Wunder kam er kurz vor der vollbesetzten Hütte zum Halt. Hier präsentiert sich die Natur eben noch unbezwungen.
Jeaninne sucht die Felswände nach dem Klettersteig ab. Alles sieht sehr senkrecht und unmachbar aus. Roberto versucht, sie mit dem Bergführerspruch Nummer 2 „Wir sind gleich da“, bei der Stange zu halten. Die technisch schwierigste Herausforderung ist das Queren des Ambiez Gletscher bis hin zur ersten Leiter. Zwar gibt es ein Fixseil, das sichert aber nur den letzten Teil ab. Die Felsleitern bringen den Bergsteiger in eine andere Welt. Bizarre Felsformationen und der Tiefblick hinab auf den Gletscher und die tieferliegende Agostini Hütte vermitteln das Gefühl, auf einem anderen Planeten zu sein. Nur noch ganz weit entfernt kann man das Grün des Tals erahnen, ansonsten dominieren die Farben Grau und Blau.
Ein schmales Felsband führt entlang der Bergflanke des Cima Tosa - mit 3173 der höchste Berg der Brenta Gruppe – bevor sich der Höhepunkt dieses Klettersteigs zeigt: Die Rundumsicht von der Sella della Tosa, die selbst erfahrenen Alpinisten den Atem raubt. Eine gigantische Steinkulisse aus schroffem Fels. Am markantesten erhebt sich der alleinstehende Turm Campanile Basso (2.883 m) aus dem majestätischen Ensemble.
Für den Hüttenwirt Franco Nicolini, der bergmässig ja eigentlich schon Alles gesehen hat, gehört das immer noch zu den schönsten Stellen in den Alpen. Jeannine nippt überglücklich an Ihrem Latschenkieferschnaps und kann sich dann aber doch eine Frage an Roberto nicht verkneifen „Sag mal, hast Du eine Freundin?“ Roberto schaut sie etwas verwirrt an und antwortet, dass er seit fünf Jahren verheiratet ist. So kann die heile Bergwelt dann doch nicht alle Klischees erfüllen …Meistens kommt es doch ganz anders, als man plant/denkt …
Mehr Fotos und den Link, wo du diese beiden Touren buchen kannst findest du auf meinem 2. Blog zu diesem Thema: